Derzeit entwickelt das Planungsteam unter Leitung der Architekten gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Staatlichen Museen zu Berlin das Gebäude weiter. Parallel dazu entwickeln die Kuratorinnen und Kuratoren ein erstes Konzept für die gut 9000 qm Ausstellungsfläche, das bis zur Einrichtung des Museums immer weiter ausgearbeitet und konkretisiert wird. Erste Ideen und verschiedene Fragestellungen, die dabei leitend sind, werden hier kurz vorgestellt.

Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Kunst

Das „Zeitalter der Extreme“ 

Das 20. Jahrhundert gilt als „das Zeitalter der Extreme“ (Eric Hobsbawn). Es ist das Jahrhundert totalitärer Herrschaftsformen wie Nationalsozialismus und Kommunismus, zweier verheerender Weltkriege, das Jahrhundert des Holocaust, der Atombombe und des Eisernen Vorhangs. Es ist das Jahrhundert des Fortschritts und der Revolutionen, der Emanzipationsbewegungen, der postkolonialen Unabhängigkeit und der Globalisierung von Märkten und Lebensformen. Technische Erfindungen wie Auto, Flugzeug, Raumfahrt, Radio, Fernsehen und Internet haben Raum- und Zeiterfahrungen verändert. Der technische Fortschritt ging aber auch einher mit der massiven menschlich verantworteten Umweltzerstörung. 

Künstlerische Perspektiven auf das 20. Jahrhundert

Künstlerinnen und Künstler haben sich im 20. Jahrhundert mit diesen in sich widersprüchlichen Entwicklungen auseinandersetzt, diese gespiegelt und hinterfragt. Das Publikum kann im Museum die – teilweise noch selbst erlebten – Ereignisse des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive der Kunst sehen und aus heutiger Sicht neu überdenken. Kunstschaffende haben in Reaktion auf die Extreme des Jahrhunderts ihre Position und ihre Mittel fortwährend und grundsätzlich hinterfragt: Was ist Kunst? Welche Rolle spielt sie in der Gesellschaft? 

Erste Überlegungen zur Ausstellung im Neubau

Künstlerinnen und Künstler setzen sich auf sehr unterschiedliche Weise mit ihrer jeweiligen Zeit auseinander. Im 20. Jahrhundert existierten ganz verschiedene, auch gegensätzliche, Kunstströmungen nebeneinander wie Surrealismus und Neue Sachlichkeit, Farbfeldmalerei und Konzeptkunst, medial aufwändige Installationskunst und nur filmisch dokumentierte Performance. Große Offenheit, Experimentierfreude und Provokation prägen besonders die Kunst nach 1960. Der Neubau am Kulturforum wird auch ein Ort des Widerspruchs sein, ein Ort der Irritation und des Non-Konformen. Die Bandbreite und Überschneidung unterschiedlicher Medien und Gattungen in der Kunst des 20. Jahrhunderts spiegelt sich in einer starken Vielfalt der Räume und Ausstellungsdisplays.

Schwerpunktthemen leiten durch die Ausstellung

Die Kuratorinnen und Kuratoren planen, die verschiedenen Kunstrichtungen im Neubau in neuen Zusammenhängen zu präsentieren. Dabei sollen eher inhaltliche Vorstellungen leitend sein und weniger chronologische Gesichtspunkte. Der euroamerikanische, westliche Fokus der Nationalgalerie-Sammlung, der sich aus der politischen Situation im Nachkriegsdeutschland erklärt, soll in der Ausstellung immer wieder selbstkritisch hinterfragt und ausgeweitet werden, wie es zum Beispiel in der Ausstellung „Hello World“ bereits erprobt wurde. Einen eigenen Schwerpunkt wird das Thema „deutsch-deutsche Teilung“ bilden, da die Nationalgalerie einen großen Bestand von in der DDR entstandenen Kunstwerken besitzt. Auch durch die ortsspezifische Geschichte des Kulturforums und des Potsdamer Platzes

in ehemaliger Mauer-Randlage liegt es nahe, gerade hier die künstlerische Auseinandersetzung mit der deutsch-deutschen Geschichte aufzufächern. Übergeordnete Themen wie Geburt und Tod, Krieg und Frieden, Ökologie und Zerstörung werden sich wie rote Fäden durch die Sammlungspräsentation ziehen. 

Das Publikum kann in einem Audioraum, der sich mitten im Ausstellungsparcours befindet, stilbildende Musikwerke und experimentelle Musikstücke des 20. Jahrhunderts mit Bezug zu den Kunstwerken hören.

Schlüsselwerke werden dauerhaft präsentiert

Einige Schlüsselwerke der Nationalgalerie sowie der privaten Sammlungen werden dauerhaft zu sehen sein. Für diese Werke werden unter Berücksichtigung ihrer zentralen Bedeutung in den Erzählungen der Sammlungen sowie ihrer Größe und ihres Gewichts ideale Räume geschaffen. Es steht daher schon weitgehend fest, wo später im Neubau etwa die Installation „Das Kapital Raum“ von Joseph Beuys (1970–77), das Gemälde „Mao“ von Andy Warhol (1973), die große Raumplastik „Die Volkszählung“ von Anselm Kiefer (1990), die Rauminstallation „Raum des verwundeten Affen“ von Rebecca Horn (1990) oder die Video-Sound-Installation „He weeps for you“ von Bill Viola (1976) zu sehen sein werden. Die meisten Ausstellungsbereiche sind aber so flexibel konzipiert, dass sie verschiedene Kunstströmungen und Werkgruppen präsentieren können. Die Präsentationen sollen mit Bezug auf aktuelle Themen und gesellschaftliche Fragestellungen regelmäßig aktualisiert werden.

Vernetzung am Kulturforum

Die Kunst des 20. Jahrhunderts soll im Neubau im Kontext der Geschichte des 20. Jahrhunderts präsentiert werden. Dafür sollen den Kunstwerken auch historische Dokumentationen, Archivalien oder Literatur zur Seite gestellt werden. Für diesen kuratorischen Ansatz arbeiten die Nationalgalerie, die Kunstbibliothek sowie das Kupferstichkabinett im Neubau eng zusammen. Leihgaben aus der Staatsbibliothek, dem Ibero-Amerikanisches Institut, dem Staatlichen Institut für Musikforschung oder dem Kunstgewerbemuseum können die Sammlungspräsentation inhaltlich noch ergänzen und erweitern.

Die Kunstbibliothek wird in ihrem angestammten Haus weiterhin Ausstellungen präsentieren, aber auch in einem Schaudepot im Neubau ihre einzigartige Sammlung Plakatkunst sowie Architekturmodelle aus dem 20. Jahrhundert zeigen. Darüber hinaus wird die Kunstbibliothek in wechselnden Präsentationen mit Buchkunst sowie mit Objekten aus Künstlerarchiven eigene inhaltliche Schwerpunkte setzen. Ebenso wird das Kupferstichkabinett neben seinem Haupthaus im Neubau eine weitere, prominente Ausstellungsfläche für die graphischen Künste des 20. Jahrhunderts bespielen.